Unter Sollkörpergewicht versteht man das Körpergewicht, bei dem unser Körper gesund ist und all seinen metabolischen Stoffwechselvorgängen adäquat nachkommen kann. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass es sich hierbei nicht um eine exakte Zahl handelt, sondern vielmehr um einen Gewichtsbereich. Das heißt dein Sollkörpergewicht kann ca. zwischen 5-8kg schwanken. Zudem unterliegt das Sollkörpergewicht im Laufe unseres Lebens natürlichen Schwankungen. Es ist daher ganz normal, dass du in deinen 20-ern ein anderes Sollkörpergewicht hast als in deinen 40-ern.
Mir ist es auch ganz wichtig dir zu sagen, dass Begriffe wie Idealgewicht, Wunschgewicht oder Wohlfühlgewicht zwar in unserem Sprachgebrauch und auch von diversen Gesundheitsberufen und Medien verwendet werden, in unserem Wortschatz jedoch eigentlich nichts verloren haben.
Warum? Weil Worte wie Wunschgewicht oder Wohlfühlgewicht für dich immer mit einer fixen Zahl oder Kleidergröße in Verbindung gebracht werden. Und genau das ist das Problem. Stell dir vor du hast X kg und es fehlen dir -5kg um auf dein „Wohlfühlgewicht“ zu kommen, welches du möglicherweise das letze Mal vor 10 Jahren hattest. Du setzt alles daran diese letzten 5kg zu reduzieren, ungeachtet deiner Hunger- & Sättigungssignale. Du holst alles aus der Diät oder den Ernährungsverboten raus was geht, um dein Zielgewicht zu erreichen. Ich will gar nicht behaupten, dass es dir nicht gelingt Aber was dann? Es folgt – wie bei 95% aller Diätversuche – die erneute Gewichtszunahme. Im nächsten Absatz erkläre ich dir weshalb es dazu kommt.
Verstehst du nun wie tückisch diese Begriffe sind? Sie suggerieren ein anzustrebendes Ideal, welches du nur durch Verbiegen und Verdrehen deiner Bedürfnisse erreichen kannst. Löst du dich einmal von dem ständigen Versuch der Gewichtsmanipulation und arbeitest stattdessen an deiner Beziehung zum Essen, wird dein Körper nach und nach sein Sollkörpergewicht von selbst finden.
Unser Körpergewicht unterliegt jeder Menge Einflussfaktoren. Auch wenn Medien und Diätindustrie uns versuchen zu suggerieren, dass sich lediglich unser Ernährungs- & Bewegungsverhalten auf das Gewicht auswirken, ist das ein absoluter Irrglaube und einfach falsch. In meinem Beitrag zu Health At Every Size kannst du nachlesen, welche zig Faktoren dein Körpergewicht beeinflussen.
Versuchst du durch äußere Manipulation (Diäten, Ernährungsregeln, Lebensmittelverbote, exzessivem Sport, Ernährungsplan) dein Körpergewicht auf Dauer zu beeinflussen, schädigst du nicht nur deine Beziehung zum Essen, sondern erhöhst potentiell stetig dein Sollkörpergewicht. Stell dir folgendes vor: ein Kühlschrank versucht seine Temperatur immer in einem gewissen Bereich zu halten. Steigt die Temperatur an verbraucht der Kühlschrank mehr Energie um die Temperatur zu senken. Vom Prinzip her funktionieren wir wie dieser Kühlschrank. Durch Diäten nimmst du an Gewicht ab, dein Körper muss auf Energiereserven zurückgreifen (primär Muskelmasse). Doch nach der Diät, liegt dein Gewicht meist wieder dort wo du vor der Diät gestartet hast. Dein Körper toleriert das „Aushungern“ nicht und du bekommst Kopfschmerzen, fühlst dich unwohl, bekommst Verdauungsbeschwerden, leidest an Stimmungsschwankungen, bist ständig müde und energielos, möglicherweise bleibt sogar deine Periode aus (meist bei langem Diäthalten) und deine Gedanken kreisen ständig nur noch ums Essen. Dein Körper hält diesen Zustand nicht mehr aus und du beginnst wieder mehr zu essen. Vermutlich teilweise unkontrolliert und jedes Essen ist begleitet von schlechtem Gewissen.
Bitte verstehe mich jetzt nicht falsch. Es bedeutet nicht, dass dein aktuelles Gewicht dein Sollkörpergewicht ist. Denn ich nehme an der Absatz davor mit der Gewichtszunahme nach jeder Diät kommt dir sehr bekannt vor. Wenn wie durch beschriebenes Diäthalten und Ernährungsregeln deine Beziehung zum Essen bereits in Mitleidenschaft gezogen wurde, kann es sein, dass du dich aktuell überernährst. Sprich du leides häufig an Heißhungerattacken, isst regelmäßig über dein Sättigungsgefühl hinaus und verwendest Essen um mit Emotionen umzugehen. Das bedeutet lediglich, dass du dich von deinem Sollkörpergewicht aber auch von deiner Intuition (deiner Fähigkeit auf Hunger und Sättigung sowie Emotionen zu reagieren) entfernt hast. Doch keine Sorge, das lässt sich unter anderem durch die intuitive Ernährung wiederfinden.
Mithilfe der folgenden Grafik kannst du versuchen abzuschätzen, ob du dich von deinem Sollkörpergewicht entfernt hast:
Eines gleich vorweg: es existiert keine magische Formel um dein Sollkörpergewicht zu berechnen. Vergiss alle Formeln die du bis dato kennengelernt hast oder die du per google-Suche findest. Keine dieser Formeln kennt dich, dein Ess- & Bewegungsverhalten, deine Stoffwechsel- & Hormonsituation, deinen Schlaf- & Wachrhythmus, dein Stresslevel usw.
Folgendes kannst du dir jedoch merken und als Orientierung verwenden:
- das Sollkörpergewicht kann mühelos gehalten werden
- ohne Besessenheit in Bezug auf Ernährung
- ohne Besessenheit in Bezug auf Sport
- dein Sollkörpergewicht unterliegt natürlichen Schwankungen über das Jahr/Monat
- dein Sollkörpergewicht ändert sich über die Lebensspanne
- du erreichst dein Sollkörpergewicht, wenn du auf deine Hunger- & Sättigungssignale angemessen reagierst
- du erreichst dein Sollkörpergewicht, wenn du andere Strategen kennst als Essen, um mit deinen Emotionen umzugehen
- mit dem Sollkörpergewicht erreicht dein Körper beste körperliche & mentale (in Bezug auf Essen, Bewegung & Körperakzeptanz) Gesundheit
Mehr Grafiken und Infos wie diese findest du auf meinem Instagram-Account @dietitian.andrea.
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