Was ist #thinprivilege? Und warum es uns alle betrifft!

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Hast du schon einmal in deinem Umfeld oder Familien- und Freundeskreis erlebt, dass mehrgewichtige Personen Probleme beim Kauf von Kleidung haben, aufgrund ihrer Kleidergröße mehr zahlen müssen, komische Blicke abbekommen, wenn sie Fast Food oder Süßigkeiten in der Öffentlichkeit essen, ihnen ein „ungesunder“ Lebensstil zugeschrieben wird oder dass sie faul wären?

Oder bist du selbst mehrgewichtig und bemerkst die öffentliche Ausgrenzung und Schwierigkeiten im Alltag, weil du eine nicht von der Gesellschaft akzeptierte Körperform oder -größe hast?

thin privilege

Wenn du eine der ersten zwei Fragen mit ja beantworten kannst, bist du schon einmal in Berührung mit dem Begriff thin privilege gekommen. Genauso wie die Diätkultur Lebensmittel als „schlecht“ oder „gut“ für die Gesundheit der Menschen einstuft, passiert dasselbe mit verschiedenen Körperformen und -größen. Von der Gesellschaft akzeptierte und der Norm entsprechende Körper werden als gesund, während mehrgewichtige Personen als ungesund angesehen werden (Lies hier mehr über HEAS & warum Gesundheit nicht am Körpergewicht bemessen werden kann). Studien zeigen, dass Menschen, die als mehrgewichtig gelten, auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert und gemobbt werden, sowie eine schlechtere medizinische Versorgung erhalten.1,2,3
Der Begriff #thinprivilege repräsentiert alle finanziellen, sozialen und praktischen Vorteile, die eine Person erhält, weil sie dünn ist oder einen relativ kleinen Körper hat. Wie zum Beispiel, als gesund angesehen zu werden oder eine große Auswahl an Kleidung zur Verfügung zu haben. Das „thin“ in thin privilege bedeutet jedoch nicht zwangsläufig dünn oder mager zu sein, sondern ein Gewicht zu haben, dass nicht der Belästigung oder dem Urteil durch Fremde ausgesetzt ist.

„Aufgrund einiger Eigenschaften des Körpers – in diesem Fall einer bestimmen (Körper)Größe zu entsprechen – haben manche Personen einen besseren Zugang zu Ressourcen und werden in unserer Gesellschaft weniger diskriminiert als Menschen ohne dieses äußere Merkmal.“ – Christy Harrison, Anti-Diät-Diätologin4

Vorteile für Menschen mit thin privilege

Dünne Privilegien führen nicht nur zu einer einfacheren und vorurteilfreien Interaktion mit anderen Menschen, sondern sind auch in unserer Infrastruktur integriert. Hier sind einige der vielen Dinge, die Menschen mit dünnen Privilegien für selbstverständlich halten. Sie können…

  • in Geschäften einkaufen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, welche Größen gerade vorrätig sind,
  • in bequeme Sitze in Transportmittel passen,
  • in der Öffentlichkeit essen, ohne ernährungsbedingte Urteile abzubekommen,
  • mehr Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung erlangen und weniger Geld für Versicherungen bezahlen,
  • ihr Leben genießen, ohne sich wegen Entscheidungen in Bezug auf Bewegung oder Essen ausgegrenzt zu fühlen und
  • einen Arzt*eine Ärztin aufsuchen, ohne sich Gedanken darüber machen zu müssen, ob diese*r die Symptome oder die Krankheit auf das Körpergewicht reduziert und als „Lösung & Therapieansatz“ zum Abnehmen oder gar einer Diät rät.
Negatives Körperbild trotz dünner Privilegien

Dünnes Privileg bedeutet jedoch nicht, dass du mit deinem Körper zufrieden bist, dass dein Leben einfach ist oder, dass deine Umgebung deine Ernährungs- oder Gesundheitsentscheidungen unterstützt. Es bedeutet auch nicht, dass du dich selbst in deinem Körper positiv wahrnimmst oder dich liebst. Es bedeutet, dass du dich in einem Körper befindest, der in unserer Gesellschaft und von der fettphobischen Kultur subjektiv als akzeptabel genug definiert wird und du somit keine Nachteile, sondern mehr Vorteile im Leben und in deinem Alltag hast. Denn die Personen, die unter die Kategorie „dünn“ fallen, erleben nicht die gleiche systemische Unterdrückung wie Menschen, die in größeren Körpern leben ..

„You can have thin privilege and also hate your body.“ – Christy Harrison, Anti-Diät-Diätologin4

Warum thin privilege für jede*n negative Auswirkungen haben kann

Zwar nicht wie mehrgewichtige Menschen, die strukturelle Diskriminierung erfahren, leiden auch „dünne“ Menschen, und zwar unter der Diätkultur – die Umgebung, in der wir leben, die Schlankheit als Zeichen von Gesundheit, Status und moralischer Tugend ansieht. Das liegt daran, dass die Diätkultur eine willkürliche Hierarchie schafft, die besagt, dass nur bestimmte Körpertypen Erfolg, Respekt und Liebe verdienen.5

Wenn du also schon immer ein Privileg hattest, wird es schwer sein zu akzeptieren, wenn sich dein Körper im Laufe der Zeit verändert. Durch den natürlichen Prozess des Älterwerdens oder weil sich durch den Weg der intuitiven Ernährung zeigt, dass dein Sollkörpergewicht nicht das Gewicht ist, dass du jahrelang versucht hast durch Diäten und Verbote so niedrig zu halten. Du kannst somit Angst vor der Gewichtszunahme bekommen und viel Zeit, Geld und Energie aufwenden, um eine kleinere Konfektion oder eine niedrige Zahl auf der Waage zu halten – auch wenn das für dich möglicherweise nicht gesund ist. Du entwickelst womöglich sogar eine ungesunde Beziehung in Bezug auf die Ernährung und Bewegung, um deine dünnen Privilegien aufrecht zu erhalten.5

Was kann ich mit meinem thin Privilege tun, um ein guter Ally zu sein?

Ein Ally ist jede*r der als Verbündete*r auftreten möchte und nicht der marginalisierten Gruppe angehört, die Diskriminierung erfährt. Wenn du also ein thin privilege hast, dann kannst du als Ally auftreten. Du bist nicht Mehrgewichtig, dir ist Gleichberechtigung aber wichtig und trittst dafür ein.

Hier einige Tipps, wie du als Ally unterstützen kannst:

  • Stelle deine derzeitigen Einstellungen über das Körpergewicht in Frage – beispielsweise ist „Übergewicht“ nicht = „ungesund“, wie die meisten Menschen glauben möchten.
  • Vermeide die Körpergröße einer anderen Person zu kommentieren – selbst, wenn du denkst, dass es ein Kompliment ist – „Komplimente“ wie „Du siehst aus, als hättest du abgenommen“ bestätigen die Vorstellung, dass dünne Körper besser sind und feuern im schlimmsten Fall sogar eine aktive oder beginnende Essstörung oder essgestörtes Verhalten an.
  • Hör gut zu und glaube betroffenen Menschen, die Fettphobie und Dickenhass am eigenen Leib erleben
  • Sprich Fettphobie an, wenn du ihr begegnest – und wenn eine Ansprache im Moment nicht möglich ist, sprich mit der betroffenen Person und frage, wie du sie beim nächsten Mal unterstützen kannst.
  • Fordere nach gleichberechtigter Vertretung in allen visuellen Medien – wenn du beispielsweise eine Marke oder ein Magazin magst, lass es wissen, was du in ihrer Werbung oder ihrem Inhalt sehen möchtest -> Diversität der Körperformen!

„Du kannst ein Privileg nutzen, um die Welt gerechter und mitfühlender zu gestalten.“ – Lindo Bacon6

Der Begriff #thinprivilege ist dafür da, die systemische Ungerechtigkeit und die Tatsache hervorzuheben, dass Respekt, gerechte Behandlung und Würde keine Privilegien sein sollten, die Menschen mit dünnerem, kleinerem Körper vorbehalten sind. Sie sollten Rechte sein, zu denen jeder Zugriff hat, egal wie groß oder schwer ein Mensch ist. Wenn wir es erschaffen könnten, dann können wir es auch rückgängig machen.


Recherche & Verfassung: Marlene Platzer (Diätologin-Studentin)

Quellen

1 Alberga et al., 2019

2 Fulton & Srinivasan, 2022

3 Shinall, 2015

4 Harrison, 2019

5 Jackson-Gibson, 2021

6 Bacon, 2008

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