
Auf meinem Instagram Account bin ich eine ganze Woche lang auf Essstörungen eingegangen. Eine Essstörung ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung. Es war mir wichtig darüber zu sprechen – denn es ist nach wie vor eine Erkrankung die von unserer Gesellschaft tabuisiert wird.
Die meisten meiner Klientinnen haben ein gestörtes Verhältnis zum Essen, nur manche kommen wirklich mit einer Essstörungsdiagnose – doch der Grad zwischen den beiden ist sehr schmal. Je früher eine Therapie startet, desto besser der Therapieerfolgt und kürzer der Leidensweg.
In diesem Beitrag kläre ich zunächst ein paar Fragen mit denen ich immer wieder konfrontiert werde. Warum erkranken Menschen an einer Essstörung, kommt sie alleine vor und wie viele Menschen sind wirklich davon betroffen? Und weil ich immer wieder gefragt werde, ob man bei einer diagnostizierten Essstörung auch intuitiv Essen „lernen“ kann, beantworte ich dir auch diese Frage.
Es gibt nie nur DIE eine Ursache. In der Therapie ist es wichtig, den Ursachen auf den Grund zu gehen um die Krankheit zu verstehen und auslösende Faktoren positiv zu verändern. Es geht dabei aber NIE um Schuldzuweisungen! Durch die Arbeit mit Familien weiß ich, dass Eltern oft die Schuld bei sich selbst suchen, wenn ihre Kinder ein essgestörtes Verhalten bzw. eine Essstörung zeigen. Doch ihr tragt dafür nicht die Verantwortung! Es ist wenn, nur ein möglicher mutbegünstigender Faktor bei dieser komplexen psychischen Erkrankung (Familiäre Ursachen).
Doch natürlich macht es Sinn, eine bedürfnisorientierte und somit essstörungspräventive Ernährungserziehung zu Hause zu leben. Prävention ist so viel besser als Behandlung – glaubt mir.




Wenn zwei oder mehrere Krankheiten gleichzeitig auftreten, spielt das für die therapeutische & medizinische Therapie eine wichtige Rolle. Denn die Krankheiten können sich gegenseitig beeinflussen. Die Begleiterkrankung kann zum Beispiel während der Therapie geringer werden und die Essstörungssymptome plötzlich stärker ausfallen, oder umgekehrt.
Tatsächlich ist noch unklar, ob Essstörungen die Ursache oder Folge der begleitenden psychischen Erkrankungen sind. Ob eine weitere psychische Erkrankung vorliegt, ist außerdem nicht so leicht zu erkennen. Die Diagnose dazu können nur Fachkräfte stellen.
Die Grafik die du hier siehst, hat ein großes Manko:
Formen von Essstörungen, die nicht exakt den Diagnosekriterien von Binge-Eating, Bulimie und Anorexie entsprechen, treten mindestens genauso häufig auf. Werden aber eben nicht diagnostiziert.
Gibt es keine Diagnose, kommt es meist auch zu keiner Behandlung.
Der Grad zwischen gestörtem Essverhalten (dazu zählt auch chronisches Diäthalten) und einer Essstörung ist sehr schmal!
Essstörungen haben übrigens kein Alter. Die Häufigkeit ist bei jungen Menschen zwar höher, aber an einer Essstörung können Menschen jeglichen Alters, Herkunft und Geschlechtszugehörigkeit erkranken.

Jein.
Um intuitive Ernährungsentscheidungen treffen zu können, ist es wichtig Körperbedürfnisse wahrnehmen zu können. Ein Prozess, der von Person zu Person in unterschiedlichem Tempo wiedererlernt werden kann. Menschen mit einer Essstörung haben meist in Punkto Bedürfniswahrnehmung ein großes Defizit. Beziehungsweise werden die eigenen Bedürfnisse sogar bewusst unterdrückt, um Erfahrungen und Erlebnisse zu unterdrücken. Die Missachtung der Bedürfnisse nimmt so viel Zeit und Raum in Anspruch, dass nicht mehr an das gedacht werden muss, was die Person belastet. Auch die Trennung zwischen Bedürfnis (Hunger) und tatsächlicher Handlung (zu essen) müssen erst wieder erarbeitet werden.
Ein Beispiel: Da bei Menschen mit einer Essstörung die Wahrnehmung für die passende Portionsgröße meist nicht eingeschätzt werden kann, bedarf es hierbei in der Therapie geeigneter Tools – manchmal sogar genauer Vorgaben meinerseits. Das handhabe ich bei Person mit gestörtem Essverhalten anders. Auch hier kommen „Tools“ zur leichteren Einschätzung zum Einsatz, aber es gibt viel weniger Vorgaben – weil es nicht notwendig ist und beim Prozess des Wiedererlangens der eigenen Intuition sogar hinderlich sein kann.
Der Therapieerfolg, sowohl bei Menschen mit einer Essstörung als auch bei Menschen mit gestörtem Essverhalten aka. chronischem Diäthalten, verläuft niemals linear. Es sind ständig ein paar Schritte nach vorne und dann wieder ein paar zurück. Das tückische aber an der Essstörung ist, dass sie für Betroffene wie eine „eigene Religion“ ist. Die Essstörung wird zu einer Art „Über-Ich“ das sagt was die Person zu tun und lassen hat. Daher bedarf es bei der Therapie von Essstörungen klarer Handlungsempfehlungen seitens der Therapeut*innen, die es für die betroffene Person ermöglichen gegen die Essstörung und somit das „Über-Ich“ anzukämpfen. Ist die Therapie gut fortgeschritten bzw. die betroffene Person kurz davor austherapiert zu sein, können in die Ernährungstherapie immer mehr Aspekte des intuitiv Essens integriert werden. Dafür gibt es allerdings keinen Leitfaden. In der Therapie muss sich dabei immer an der Klientin / dem Klienten, dessen Fortschritt und Ressourcen orientiert werden.
Quellen:
Titelbild von Andres Ayrton: https://www.pexels.com/de-de/foto/frau-apple-backerei-essen-6550797/
[1] Davison KK, Markey CN, Birch LL. A longitudinal examination of patterns in girls‘ weight concerns and body dissatisfaction from ages 5 to 9 years. Int J Eat Disord. 2003 Apr;33(3):320-32.
[2] McCreary Centre Society. Adolescent Health Survey. Vancouver: The McCreary Centre Society; 1999.
