Meine internalisierte Fettfeindlichkeit

zuckersucht

Gier, Faulheit, Dummheit, Exzess, Ungepflegtheit – viele negativ konnotierte Attribute werden mehrgewichtigen Menschen zugeschrieben, aber warum assoziieren wir Mehrgewichtigkeit automatisch damit? Welche Auswirkung hat dies auf die Betroffenen und unsere Gesellschaft? Und wie können wir dem entgegenwirken? Antworten auf all das und noch mehr findest du im folgenden Beitrag.

Täglich werden wir mit Schönheitsstandards und Idealen konfrontiert, die oft unrealistisch oder gar gefährlich sind. Schon bereits in jungen Jahren geraten wir mit diesen Schönheitsnormativen in Berührung, sei es über die sozialen Medien, die Werbung oder gesellschaftliche Normen1.

Was bedeutet internalisierte Fettfeindlichkeit und warum sind wir fettfeindlich?

Internalisieren meint Werte, Normen, Auffassungen oder Ähnliches zu übernehmen und sich zu eigen machen. So können beispielsweise Verhaltensmuster, Wertvorstellungen, gesellschaftliche Vorurteile oder Ansprüche internalisiert werden2.

Verinnerlichte Gewichtsstigmatisierung bezeichnet die Anwendung von negativen gesellschaftliche oder kulturelle Überzeugungen über das Körpergewicht auf sich selbst. Diese Überzeugungen ergeben sich unter anderem aus sozialen Normen1.

Die verinnerlichte Gewichtsstigmatisierung ist eine Art von Gewichtsvorurteil, das auch als „Fettphobie“ bezeichnet wird. Menschen in jeder Form und Größe können davon betroffen sein. Eine Studie aus dem Jahr 2020 beschreibt, dass Menschen mit diesem Vorurteil sich, unabhängig von ihrem tatsächlichen Körpergewicht, oft als zu schwer empfinden1.

Die Stigmatisierung von Mehrgewicht hat verschiedene Ursachen. Einerseits wird Mehrgewichtigkeit als ein Zustand betrachtet, der durch persönliches Verschulden und mangelnde Kontrolle entsteht. Andererseits wird die öffentliche Meinung auch von vorherrschenden Körperidealen beeinflusst, wodurch Abweichungen von der als normal betrachteten Norm negativ wahrgenommen werden3.

Die fatalen Auswirkungen von Fettfeindlichkeit

Menschen mit Mehrgewicht erfahren soziale Distanzierung und Diskriminierung aufgrund ihres Gewichtes. Diese strukturelle Diskriminierung ist nicht nur menschenverachtend, sondern wirkt sich auf ihre Beschäftigungsmöglichkeiten, auf ihre Behandlung im Gesundheitssystem und viele weitere Bereiche aus. Mehr zu Gewichtsstigmatisierung und ihre negativen Folgen kannst du im Beitrag zu Health At Every Size® nachlesen3.

Auch Kinder und Jugendlichen bleiben von Fettfeindlichkeit und Diskriminierung nicht verschont. Die Folgen zeigen sich vor allem durch einen negativen Einfluss auf ihr mentale Gesundheit4. Kinder und Jugendliche können im Konkreten eine starke Unzufriedenheit mit ihrem Körper entwickeln, ihr Selbstwert verringert sich und ein Gefühl von Wertlosigkeit stellt sich ein. Das wiederum kann Angststörungen, depressive Symptome, ein gestörtes Essverhalten oder sogar eine Essstörung begünstigen5,6,7Daher ist es so wichtig, unsere Kindern nicht nur vor fettfeindlichen Kommentaren zu bewahren, sondern ihnen auch ein Vorbild in Sachen Körperakzeptanz zu sein. 

Im Gegensatz zu früheren Annahmen, die besagten, dass sozialer Ausschluss als Anreiz für Verhaltensänderungen und somit Gewichtsabnahme dienen könne, zeigen Studien definitiv gegenteilige Ergebnisse bezüglich des Ess- und Bewegungsverhaltens. Gewichtsstigmatisierung sogt für eine Abnahme von Bewegung und treibt Betroffene in die Diätfalle und Essstörungen, als sie zu einem gesundheitsorientierten Verhalten zu animieren3.

Selbstreflexion und Akzeptanz

Ein wichtiger Schritt zur Überwindung von internalisierter Fettfeindlichkeit ist die bewusste Selbstreflexion. Beginne damit deine persönlichen Gedanken zu analysieren und zu hinterfragen woher diese Überzeugungen und Werte kommen. Dabei wirst du erkennen, dass viele davon den Ursprung in gesellschaftlichen Normen und Erwartungen haben, die total unrealistisch und unmöglich zu erfüllen sind.

Eine weitere wichtige Etappe auf dieser Reise, ist die Akzeptanz des eigenen Körpers, unabhängig vom Körpergewicht. Versuche dabei, dich auf deine Stärken und positiven Eigenschaften, als auf deine Mängel zu fokussieren. Das funktioniert natürlich nicht ab dem ersten Tag! Die Überwindung deiner und auch natürlich meiner internalisierten Fettfeindlichkeit war und ist ein fortlaufender Prozess, der tägliche Reflexion bedarf. Es erfordert Auseinandersetzung mit sich selbst, Achtsamkeit und die Fähigkeit, sich von toxischen Denkmustern zu befreien. Jeder Schritt auf diesem Weg ist wertvoll. Auch – oder vielleicht sogar erst recht – wenn er noch so klein zu sein vermag.

Es ist übrigens kein Zeichen der Schwäche, wenn du dir auf deinem Weg Richtung Körperakzeptanz und intuitivem Essverhalten Hilfe holst. Wir alle benötigen ab und an eine Hand die uns gereicht wird.

 

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Quellen

[1] Duden (o.J.): Internalisieren. Online verfügbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/internalisieren, zuletzt geprüft am 19.01.2024.

[2] Luck-Sikorski, Claudia; Bernard, Marie (2021): Stigmatisierung und Diskriminierung von Patient*innen mit Adipositas. In: Psychotherapeut (66), S. 28–34. DOI: 10.1007/s00278-020-00475-1.

[3] Villines, Zawn (2022): What is internalized weight stigma? Hg. v. MedicalNewsTody. Online verfügbar unter https://www.medicalnewstoday.com/articles/internalized-weight-stigma#definition, zuletzt geprüft am 19.01.2024.

[4] Warnick, Jennifer L.; Darling, Katherine E.; West, Caroline E.; Jones, Laura; Jelalian, Elissa (2022): Weight Stigma and Mental Health in Youth: A Systematic Review and Meta-Analysis. In: Journal of pediatric psychology 47 (3), S. 237–255. DOI: 10.1093/jpepsy/jsab110.

[5] Dahill, L. M., Touyz, S., Morrison, N. M., & Hay, P. (2021). Parental appearance teasing in adolescence and associations with eating problems: a systematic review. BMC Public Health, 21, 1-13.

[6] Menzel, J. E., Schaefer, L. M., Burke, N. L., Mayhew, L. L., Brannick, M. T., & Thompson, J. K. (2010). Appearance-related teasing, body dissatisfaction, and disordered eating: A meta-analysis. Body image, 7(4), 261-270.

[7] Vogel, L. (2019). Fat shaming is making people sicker and heavier.

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